Der Therapeutische Staat

Warum werden Leute eingesperrt, die nur gefährlich sein sollen und keine Straftat begangen haben? Ist das nicht "Schutz"haft, Vorbeugehaft, ein Zeichen totalitärer Systeme zu nennen?
Es ist höchste Zeit, uns die Diktatur der Therapie zu gegenwärtigen. Die Biologisierung und Pathologisierung von menschlichem Verhalten ist die letzte ideologisch begründete Diktatur unserer Zeit, zutiefst legiert mit Wissenschaftsgläubigkeit, mechanischer "Kausaltitätsleere", protestantischem Arbeitsethos und einem verkürzten Verständnis von Aufklärung, leider sogar in gewisser Weise mit "Moderne" und ihren brachialen Visionen, der Ästhetisierung des Gesunden".
Diese undurchsichtige Ideologie mit ihrer durchtränkenden Suggestivität beherrscht uns mit einer kaum hinterfragbaren Brutalität. Sie ist tief in die Gefühlswelt unserer Leiber, in Kunst und Ästhetik eingesickert.
Integrativ (im guten Sinne auch demokratisierend) wurde sich des Revolutionären des 68er Impulses durch unsere Genossinnen und Genossen angenommen.
"Phantasie an die Macht" (die Phantasie ist an der Macht, fragt sich nur welche, siehe Anfang) wurde dem Diskurs der Herrschaft unterworfen - ärztlich, betreuerisch, pädagogisierend und individualisierend gebrochen.
Statt Emanzipation stand auf einmal Belehrung und Sozialarbeit auf dem Programm und in den Berufen der Parteimitglieder. Zwar verständlich, wenn alle Macht als vom Staate ausgehend für die europäische Arbeiterbewegung als Prämisse des Denkens konstitutiv war, aber dabei hat man den Blick auf die Gründe des Entstehens der gesellschaftlichen Machtverhältnisse verloren: Die Abgabe der offenen Diskussion über Lebensformen an die Autorität staatlicher Macht entlastet zwar von der Notwendigkeit eines eigenen Entwurfs, aber damit hat man sich als" Landeskind" selber der Verantwortung und Kontrolle über das eigene Leben beraubt.
Das Wort vom mündigen Bürger - eine Lüge, obwohl die radikale,
kommunistisch-realsozialistische Staatsmacht-Anbetung Geschichte ist.

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