Gegen
Gleichheit
Für eine linke Opposition
Um keine
Missverständnisse aufkommen zu lassen: selbstverständlich sind wir FÜR Rechtsgleichheit
der gesellschaftlichen Subjekte. Aber wir wenden uns gegen einen traditionell
von Linken verwendeten Begriff von Gleichheit, der in "gemeinschaftlichem
Eigentum" liegen solle. Also gegen die Herrschaft der Vernunft in Planökonomie
und den staatlich verfassten "volkseigenen" Betrieben. Deren Konsequenzen
sind bekannt: keine Preisbildung über einen Markt, keine Vertragsfreiheit
handelnder Subjekte, sondern Verwaltung des "Volks" Eigentums. Dem
Zwang zu entscheiden, was geschehen, was hergestellt werden soll und was nicht,
kann sich keine Produktion entziehen. Im Gleichheitsmodell des "gemeinschaftlichen
Eigentums" wird diese Aufgabe von einer "vernunftbegabten"
weil ohne "Profitinteresse" agierenden Verwaltungsbürokratie mehr
oder weniger zentral gelöst. Deren Planungen seien "wissenschaftlich"
fundiert; tatsächlich war das ganze Modell von Lenin der deutschen Kriegswirtschaft
des Ersten Weltkriegs entlehnt und wurde damit als paternalistische Befehlswirtschaft
dauerhaft institutionalisiert.
Privateigentum
fördert Begehrlichkeiten und Neid, was aber dadurch aufgewogen wird, daß durch
die Vielzahl handelnder Subjekte in der Produktion und deren Be"lohnung"
bei der "richtigen" Spekulation auf die Entwicklung der Bedürfnisse
eine sehr flexible Lieferung entsprechend diesen unvernünftigen, unvorhersagbaren
und vielfältigen Bedürfnissen erzielt wird. Das Privateigentum an Produktionsmitteln
ist eigentlich auch gar nicht das Problem!
Einerseits,
wie wollen denn die "Gleichheits"verteidiger das "gemeinschaftliche
Eigentum" von Produktionsmitteln einfordern, wenn diese immer weiter
"entmaterialisiert" sind, zu Produktionswissen, "Know-how",
Beziehungen und Vertraulichkeiten werden? Eine groteske Terrorvorstellung,
wenn sogar die Enteignung der Gedanken angedroht werden sollte!
Andererseits
manifestiert sich mit jeder Kaufentscheidung, dem Ausdruck eigener Konsumbedürfnisse,
zergliedert in jeden Cent, der so oder anders ausgegeben wird, eine Entscheidungsfreiheit,
die zu bestreiten nur um den Preis des Negierens der menschlichen Freiheit
überhaupt ginge: dem Bestreiten von Verantwortung, Poesie und der Möglichkeit
der Revolution.
An der
Frage des Konsums, nicht der Produktion, offenbart sich das tatsächliche Problem:
Ob oder ob nicht Transferleistung an die "Faulen" unterstützt werden
sollen, an die, die nicht arbeiten wollen, zumindest nicht zu den angebotenen
Bedingungen. Eine Verschiebung des Blicks von der Produktions- zur Konsumptionsweise
würde die Augen dafür öffnen, unter welchem Diktat der protestantischen Arbeitsethik
die Moderne stand: Die Arbeit sollte "gleichmäßig" verteilt
sein, das sich krümmen, ein- und unterordnen, die Mühsal, Pflicht und Disziplinierung
– das ist die Hoffnung derer, die Gleichheit in "gemeinschaftlichem Eigentum"
fordern, eben nicht die Förderung der Vielfalt unterschiedlichster Konsumentenwünsche,
Moden, Luxusbedürfnisse und Eigenwilligkeiten. An diesem Punkt möchten wir
betonen: selbstverständlich liegt uns an der gewaltfreien Umverteilung "nach
unten", einem "Programm" gegen den konservativen Erhalt
der Reichtums- bzw. Armutsverhältnisse. Aber anstatt Rechte zu nehmen, Eigentum
zu beschlagnahmen, wollen wir dies dadurch erreichen, daß wir den Wert des
in toter Arbeit geronnenen Kapitals verringern, indem durch klassische gewerkschaftliche
Auseinandersetzung in Solidarität mit den "Parasiten" die Löhne
incl. zunehmender Sozialabgabenanteile gesteigert werden, der Marktwert der
Lohnarbeit durch Verknappung des Arbeitsangebots in die Höhe getrieben wird.
Der erste Schritt ist dabei das Recht auf Faulheit zu verwirklichen, § 25
BSHG abzuschaffen, in dem die Zwangsarbeit festgeschrieben ist. Wir plädieren
für die Akzeptanz der Arbeitsunlust als stärkstes Instrument zur Verknappung
des Angebots an Arbeitskraft, denn insbesondere das Ressentiment gegen Faule
zerstört die Solidarität.
Uns
ist bewußt, daß mit diesem Vorschlag Generationen von "linken" Intellektuellen
sich brüskiert fühlen, verabschiedet er doch tradierte Utopien und kann zurecht
als eine "Entsorgung" der "Sozialismus"-frage gelten.
Sozialismus war zwar als emanzipatorisches Projekt angelegt, hat aber nur
Arbeit und Produktionismus verherrlicht und sogar noch behauptet, dies als
Utopie legitimieren zu können. Und schon sind wir am Dreh- und Angelpunkt
der Utopien des letzten Jahrhunderts und ihren brachialen Grausamkeiten: Gibt
es Gemeinsamkeiten totalitärer Herrschaft und welche Überschneidungen sind
es? "Wissenschaft" als Religion in biologistischer oder geschichtsteleologischer
Version, der synchronisierte "Volkswille" und das Arbeitslager.
Und zwar immer gedeckt durch den deutschen Idealismus und die protestantische
Arbeitsmoral. Das war der große Fehler der Arbeiterbewegung: die Abweisung
des Parasitären: "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", die
in der Rede vom "raffenden Kapital" antisemitisch gewendet in der
Naziterminologie wieder auftauchte – eine Moral gegen den "faulen"
Bourgeois, die tatsächlich jedes Straf-Lager legitimierte.
Damit
ist die Frage nach der Orientierung gestellt, was links und rechts sei, was
oben und unten ist. Der Verlust von "Realsozialismus" hat insbesondere
bei Linken weltanschaulichen Klärungsbedarf hinterlassen und ist begrifflich
noch unverarbeitet. Das wird offensichtlich, wenn als "Korrektiv"
gegen einen anscheinend überall siegreichen Neoliberalismus wiederum die Phantasien
in staatliche Gewalt bemüht werden, kritiklos nach einem großen Bruder gesucht
wird, der das kapitalistische Ungeheuer zähmen soll. Ein Staat wird als angeblich
idealer Verwalter von Gewalt erhofft, der mit "Vernunft" begabt
handelt, statt ihn als das Instrument der jeweils Herrschenden zu verstehen,
das es so klein wie möglich bzw. so klein wie unbedingt nötig zu machen gilt.
Mit
der Fokussierung auf den Staat werden alle politischen Handlungsoptionen,
die nicht ökonomisch ausgerichtet sind, ausgeblendet und alle sozialen Hoffnungen
auf "die Wirtschaft" reduziert. "Revolution" verkümmert
zur Eroberung der Staatsgewalt.
Wir
fordern das Reich der Freiheit jenseits des Reichs der Notwendigkeit. Es kann
in einer Entwicklung beginnend von einem Recht auf Faulheit hin zu immer mehr
Menschen, die von Transferzahlungen würdig leben können und wollen und nur
unbezahlt tätig sind, erreicht werden.
Dazu
braucht es aber eine linke Opposition jenseits der jetzigen Parteienlandschaft:
ein Teil der PDS könnte in der kommunistischen Plattform verschwinden, der
andere würde sich ent-osten und zusammen
mit dissidenten Sozialdemokraten (wie uns zum Beispiel) und tatsächlich antimilitaristischen
Grünen eine neue postsozialistische Linke gründen.